Am 16. Oktober 2024 kamen 25 Interessierte aus der landwirtschaftlichen Praxis, Verbänden und wissenschaftlichen Einrichtungen in das Schützenhaus in 17498 Wackerow-Steffenshagen, um sich zur Fragestellung „Welche Potenziale bietet Hanf?“ auszutauschen. Gastgeber war die Biobauer Knauer GbR von Josef und Paul Knauer.
Vorgestellt wurden innovative Anbaukonzepte, darunter die Kombination von Hanf mit Wickroggen auf sandigen Böden sowie Empfehlungen zur Aussaat und Pflege. Moderne Verfahren zur Fasergewinnung und mögliche Verwertungswege, etwa in der Tierfütterung, wurden ebenfalls präsentiert. Umweltwirkungen wie die Stickstoffbindung und Erosionsschutz durch Hanf als Zwischenfrucht standen im Fokus. Auf Demoflächen wurden Anbaumethoden und Bodenprofile analysiert, bevor der Tag mit einer regen Diskussion ausklang.
Der Feldtag mit der Fragestellung startete mit der Vorstellung des Modell- und Demonstrationsvorhabens HumusKlimaNetz von Simone Witzel, BÖLW.
Anschließend berichtete Dr. Wilhelm Schäkel, Bio Ranch Zempow und Nutzhanfnetzwerk e.V., von seiner langjährigen Erfahrung im Anbau von Nutzhanf. Das Wichtigste gab er den Teilnehmenden gleich zu Beginn mit: „Wer Hanf anbauen möchte, muss unbedingt einen Abnehmer haben!“
Auf der Bio Ranch Zempow wirtschaftet Schäkel mit seinem Team auf sehr leichten und sandigen Böden, die zwischen 16 und 18 Bodenpunkten liegen. Aufgrund der mageren Böden eignet sich auf diesem Standort Wickroggen, eine Mischkultur aus Winterroggen und Winterwicke, als Vorfrucht für den Hanf. Der Wickroggen wird nur eingearbeitet, aber nicht geerntet und abgefahren. Winterroggen ist eine äußerst genügsame Getreideart, die auch auf nährstoffarmen, leichten Böden gut gedeiht. Er ist frosthart, tiefwurzelnd und kann Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten mobilisieren. Winterwicke kann als Leguminose mit Hilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft fixieren. Das macht sie unabhängig von bodenbürtigem Stickstoff und hilft auch dem Roggen durch die Bereitstellung zusätzlicher Nährstoffe.
Bei der Aussaat von Hanf wird eine Saatstärke von 40 Kilogramm je Hektar empfohlen. Schäkel hingegen berichtet, dass er auf der Bio Ranch Zempow auch mit 30 Kilogramm Hanf je Hektar auskommt. Bei einer Einzelkornaussaat ist laut Schäkel eine Unkrautunterdrückung nicht gegeben. In Bezug auf die Angaben der Saatguthersteller zur Keimfähigkeit hat Schäkel die Erfahrung gemacht, dass jene häufig nicht stimmen und die tatsächliche Keimfähigkeit häufig unter dem angegebenen Wert liegt.
Das Anwalzen mit einer Prismenwalze bringt nach der Aussaat einen guten Effekt. Hanf benötigt eine Bodentemperatur von 10 Grad Celsius zur Aussaat, so dass auf der Bio Ranch Zempow der Hanf in der Regel um den 10. Mai ausgesät wird. Sehr gute Erfahrungen hat Schäkel mit der Sorte Futura gemacht.
Was die Beisaaten angeht, ist Hanf laut Schäkel sehr empfindlich. „Hanf mag am liebsten Hanf“, so Schäkel, aber eine Mischung aus Hanf, Buchweizen und Peluschke ist dennoch möglich. Anders als Getreide reift Hanf ungleichmäßig ab. Die Ernte erfolgt Ende September/Anfang Oktober.
Weiterhin gibt es nicht wie bei Getreide eine Winter- und eine Sommersorte. So kann Hanf, wenn er als Zwischenfrucht über den Winter stehen bleibt, als Winterhanf bezeichnet werden. Dieser eignet sich sehr gut für die Weiterverarbeitung als Baustoff.
Dr. Wilhelm Schäkel und Betriebsbegleiterin Marlene Gerken untersuchen die Zwischenfruchtmischung mit Hanf.
Die Teilnehmenden bewerten die aufgelaufene Zwischenfruchtmischung, in die Hanf eingemischt wurde.
Dr. Hans-Jörg Gusovius vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB Potsdam) knüpfte in seinem Vortrag zur Erstaufbereitung und Fasergewinnung von Hanf an den Vortrag von Dr. Wilhelm Schäkel an. Hanf war in Deutschland über Jahrhunderte eine sehr wichtige Pflanze zur Gewinnung von technischen Fasern und Textilfasern. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der Anbau jedoch massiv an Bedeutung, da andere Rohstoffe wie Baumwolle und Kunstfasern vermehrt nachgefragt wurden. Hinzu kommt, dass der Anbau durch das Betäubungsmittelgesetz 1982 verboten und erst 1995, als THC freier Hanf, wieder zugelassen wurde.
Ungeachtet der teils seit langer Zeit bekannten Potenziale haben sich Anbau, Verarbeitung und Nutzung von Hanf in Deutschland in den letzten knapp 30 Jahren nur sehr langsam und unstetig entwickelt. So gibt es in Deutschland aktuell nur drei große Firmen, die sich auf die Faseraufbereitung spezialisiert haben.Zwei weitere bedeutende Hanf verarbeitende Unternehmen, sitzen in den Niederlanden. Diese Unternehmen kooperieren u.a. mit landwirtschaftlichen Betrieben vor allem in Niedersachsen, so dass dort der meiste Hanf in Deutschland angebaut wird (1.200 Hektar in 2023 *). Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Anbau von Hanf von 2020 bis 2023 in vielen Bundesländern abnahm. So betrug der Anbau von Hanf in Mecklenburg-Vorpommern 2020 noch 650 Hektar und sank auf 170 Hektar im Jahr 2023.
Unterschiedliche Entwicklungstendenzen in der Landwirtschaft, der Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe sowie im Verbraucherverhalten eröffnen zunehmend neue Potentiale zum Aufbau von Wertschöpfungsketten, wie u.a. auch eine Reihe von Initiativen zum Aufbau von Verarbeitungskapazitäten zeigen. Dabei bleibt das kritische Glied der Wertschöpfungskette der Zwischenschritt der Erstverarbeitung des landwirtschaftlichen Rohstoffs Hanfstroh, sprich die Fasergewinnung. Neben vielen etablierten Prozesstechnologien eröffnen neue Ansätze eine Erweiterung der Potenziale. So wird am ATB Potsdam ein Verfahren zur Ganzpflanzennutzung von Hanf nach Feuchtkonservierung getestet. Hierbei entstehen u.a. Torfersatzprodukte, Verpackungsmaterialien, Einstreu und Faserplatten für Bau- und Dämmzwecke.
Gusovius konstatierte, dass dennoch Aufgaben und Herausforderungen bestehen bleiben. So muss eine geschlossene Kette von der Landwirtschaft über die Fasergewinnung bis hin zur verarbeitenden Industrie etabliert werden, wobei die Initiative bestenfalls immer von einer konkreten Produktentwicklung ausgehen sollte. Weiterhin müsse die Produktqualität gesteigert werden, was u.a. durch Reduzierung der Rohstoffheterogenität erreicht werden könne. Schlussendlich gelte es, transparente Kooperationsbeziehungen zwischen allen relevanten Partnern entlang der Wertschöpfungsketten aufzubauen und aktiv zu pflegen.
Eine vollkommen andere Verwertungsmöglichkeit von Hanf zeigte Jessica Schwerdtfeger vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN Dummerstorf) auf. Sie demonstrierte Forschungsergebnisse aus dem EIP Agri-geförderten ZwiHanf-Projekt über den Einsatz von Hanf in der Fütterung von Milchkühen.
Schwerdtfeger stellte zunächst verschiedene Verwertungsmöglichkeiten von Hanf in der Milchviehfütterung vor, wie Hanfkuchen, Hanf-Extraktionsrückstände, Hanfganzpflanzensilage und Hanfblätter. In Abhängigkeit des Erntezeitpunktes besitzen Hanfblätter sehr hohe Futterwerte und bieten den Vorteil, dass sie kaum in Konkurrenz zur Humanernährung stehen, da die Blätter hauptsächlich als Tee genutzt werden. Die Blätter sind für die Tiernernährung interessant, denn sie sind eiweiß- und rohfaserreich und sind vergleichbar mit Luzerneheu. Zudem haben sie ein günstiges Fettsäurespektrum mit vielen ungesättigten Fettsäuren. Beim FBN Dummerstorf wurde im Rahmen des ZwiHanf-Projektes die Fütterung von nahezu THC-freien Hanfblättern an Milchkühe untersucht.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen oder eine Verringerung der Verdaulichkeit konnten nicht festgestellt werden. Durch die Hanffütterung wurden die Ruhezeiten der Tiere erhöht und die Futteraufnahme verringerte sich. Der Milchfett- und Laktosegehalt lag bei der Hanffütterung deutlich niedriger als bei der Vergleichsgruppe. Darüber hinaus war die Milchmenge deutlich verringert. Im Urin zeigten sich geringere N-Konzentrationen und N-Ausscheidungen der Tiere. Außerdem waren die Methanemissionen pro kg Trockenmasseaufnahme (TMA) vermindert.
Die Teilnehmenden diskutieren das Bodenprofil
Die Teilnehmenden diskutieren an einem ausgehobenen Bodenprofil.
Zum Abschluss der Vorträge stellten Prof. Dr. Eike Stefan Dobers und Linda Maria Lechner von der Hochschule Neubrandenburg (HS NB) ebenfalls Ergebnisse aus dem ZwiHanf-Projekt vor. An der HS NB wurden im Rahmen des Projektes die Umweltwirkungen des Hanfanbaus untersucht, wie die N-Aufnahme und den potenziellen Schutz vor Nitrat-Auswaschung. Auch Aspekte des Erosionsschutzes sowie eine potenzielle Senkung von THG-Emissionen wurden im Projekt thematisiert. Die Versuche wurden dabei mit besonderem Fokus auf die Standortheterogenität der Praxisflächen durchgeführt.
In ihrem Vortrag beleuchteten sie die Biomasse-Bildung und N-Aufnahme von Hanf als Zwischenfrucht auf heterogenen Praxisflächen. Sie untersuchten dabei auf verschiedenen Betrieben die Entwicklung von Hanf als Zwischenfrucht. Da es sich um Bestandsflächen handelte, konnte im Rahmen des Projektes kein Einfluss auf die Saatstärke und Bestandsdichte genommen werden. Die Standortwahl erfolgte über eine vorherige Auswertung von Geodaten. Untersucht wurden Nmin-Gehalt im Boden, N in der Hanf-Biomasse, der Biomasseaufwuchs und die Höhe unter Zuhilfenahme von allgemeinen Beobachtungen und Fotos. Die Untersuchungen fanden 2022 an zwei verschiedenen Standorten in Mecklenburg-Vorpommern und 2023 an einem Standort in Mecklenburg-Vorpommern sowie an zwei weiteren Standorten in Brandenburg statt.
Einen entscheidenden Einfluss auf die Biomasseentwicklung haben die Aussaatzeiten. Linda Lechner erläuterte einige Besonderheiten bei der Kulturpflanze Hanf. So hat Hanf ein anderes BBCH-System als andere Kulturen, um die verschiedenen Wachstumsphasen der Pflanze zu beschreiben. Es besteht aus einem vierstelligen Code. Darüber hinaus gibt es männliche und weibliche Pflanzen sowie Zwitter. Sie stellte zudem die Ergebnisse der Hanf-Trockenmasse und der Restverunkrautung in den Untersuchungsjahren vor und ordnete die Ergebnisse der Nmin-Reduktion im Zeitverlauf ein.
Die Ergebnisse zeigen ein hohes Potenzial zur N-Aufnahme durch Zwischenfruchthanf. Die Standortgüte beeinflusst die Biomassebildung dabei deutlich. Zusätzlich positiv ist, dass eventuell höhere N-Gehalte der Trockenmasse als bei üblichen Zwischenfruchtmischungen zu veranschlagen sind. Stefan Dobers betonte, dass eine Zwischenfrucht, egal ob es sich dabei um Hanf oder andere Arten handelt, wie eine Hauptkultur behandelt werden sollte und der Anbau daher sehr sorgsam vorgenommen werden sollte.
Die Standardzwischenfrucht des Betriebes, in die Hanf eingemischt wurde
Abschließend stellte Josef Knauer die Biobauer Knauer GbR vor. Seit 2005 betreibt die Biobauer Knauer GbR einen ökologischen Milchviehbetrieb in Groß Petershagen in der Nähe von Greifswald. Seit Beginn ist der Betrieb von Naturland zertifiziert. Die Betriebsgröße beträgt 350 Hektar, wovon 185 Hektar auf Ackerland entfallen. Die Biobauer Knauer GbR baut u.a. Kleegras, Triticale, Landsberger Gemenge, Mais, Hafergemenge und Roggen an. Der Betrieb hält rund 160 Milchkühe, deren Milch an die Gläserne Molkerei vermarktet wird.
Zum Abschluss des Feldtages ging es zur Demofläche von Josef Knauer, auf der er den Anbau von Hanf als Winterzwischenfrucht testet. Auf einem Streifen wurde Hanf in Reinsaat angebaut und auf einem zweiten Streifen in die Standardzwischenfruchtmischung eingemischt. Als Referenz dient ein Streifen mit der Standardzwischenfrucht (Artenzusammensetzung: Sommerwicke, Hafer, Inkarnatklee, Alexandrinerklee, Platterbse, Buchweizen, Senf, Ölrettich, Phacelia, Sonnenblume) des Betriebes.
Bei der Fläche, auf der Hanf in Reinsaat wächst, war die Biomassenentwicklung geringer als erwartet und auch die Wurzeln reichten nicht so tief in den Boden wie vermutet. Im Gegensatz dazu war die Biomasseentwicklung des Hanfs auf der Fläche besser, in der Hanf in die Standardzwischenfruchtmischung eingemischt wurde. Auf beiden Flächen hatte Josef Knauer Bodenprofile angelegt. Einige Teilnehmende nahmen selbst den Spaten in die Hand und untersuchten die beiden Flächen. Es zeigte sich, dass beide Flächen in rund 50 cm Tiefe sehr stark verdichtet waren und sich zum Teil schon Ortstein gebildet hatte. Die Teilnehmenden diskutierten angeregt über die Zwischenfruchtmischungen und die Bodenprofile, bevor der Feldtag gegen 17:30 Uhr ausklang.
* Quellen: BMEL, BLE, 2024
Die Wurzeln der Hanfpflanzen waren wesentlich kürzer als erwartet.
In ungefähr 50 cm Tiefe wurde der Ortstein, eine harte, wasserundurchlässige Schicht, sichtbar, der durch seine Struktur eine tiefere Durchwurzelung des Bodens verhindert.